Mykologie: Einführung in die Pilzkunde
Beitrag von
Maria Neuhäusler und Hans-Peter Neukom
Inhalt
Einleitung
Pilze und deren Aufgabe in der Natur
Sporenabwurf
Pilze bestimmen
Pilzvergiftungen
Mord mit Pilzextrakt
Sehr gefährliche Pilzvergiftungen mit möglichem tödlichen Ausgang
Weniger gefährliche Pilzvergiftungen, im Normalfall ohne tödlichen Ausgang
Vergiftungen durch normalerweise essbare Pilze
Massnahmen bei einem Verdacht auf Pilzvergiftung
Nährstoffe
Eiweissstoffe
Kohlenhydrate
Fett
Vitamine
Mineralstoffe
Schadstoffe
Radioaktivität
Schwermetalle
Pestizide
Begasungsmittel
Schlußfolgerung
Einleitung (Mykologie, Pilzkunde)
Wer sich zum ersten Mal mit Mykologie befasst, ist fasziniert
von der Vielfalt im Reich der Pilze. Ihr verborgenes Dasein, ihre
Lebensweise sowie Vermehrung geben uns viele Fragen auf.
Pilze sind überall anzutreffen: auf Wiesen
und Weiden, in Gärten, an Strassenrändern, ja sogar auf Trottoirs und ganz
besonders im Walde. Eine grössere Anzahl bleibt unserem Auge jedoch verborgen
und ist nur mit dem Mikroskop zu sehen. Gross ist auch die Zahl jener Pilze, die
etwas mit unserem täglichen Leben zu tun haben, ohne dass wir uns dessen immer
bewusst werden. Hefepilze braucht man bei der Herstellung von Brot, Bier und
Wein; Käse lässt sich ohne Pilze nicht produzieren und Bakterieninfektionen
werden häufig mit dem Antibiotika Penicillin, einem Pilzprodukt, behandelt.
Andererseits sind viele Pilze als Krankheitserreger bei
Mensch, Tier und Pflanze bekannt. Wer hat nicht schon mit Fusspilz, Schorf an
Äpfeln und Birnen oder Rost und Mehltau an den Rosen gekämpft?
Pilze und deren Aufgabe in der Natur
Weit über 200'000 niedere und höhere Pilzarten sind bis
heute auf der ganzen Welt bekannt. Die Anzahl der Grosspilzarten (z.B. die
allgemein bekannten Speise- und Giftpilze) die in unseren Wäldern und Fluren in
Europa erscheinen, dürfte dabei um etwa 6'000 Arten liegen, davon essbar sind
ungefähr 200 Pilzarten und ebenso viele sind giftig.
Pilze spielen im biologischen Kreislauf der Natur eine sehr
wichtige Rolle. Unter anderem wird pflanzliches und tierisches Material abgebaut
und in Humus umgewandelt; gleichzeitig dienen diese organischen Stoffe auch als
Nährsubstrat für die Pilze.
Als wichtiger Bestandteil des Waldökosystems haben sich
verschiedene Pilze - etwa jede vierte Grosspilzart - mit den Wurzeln von Bäumen,
Sträuchern, vielen Orchideen und anderen Pflanzenarten zu Symbiosen
(Lebensgemeinschaften) zusammengeschlossen. Pilze die solche Symbiosen eingehen
nennt man Mykorrhiza-Pilze (vom griechischen mykes = Pilz und rhiza = Wurzel).
In diesen Symbiosen werden wichtige Substanzen unter Pilzen und Pflanzen
ausgetauscht wodurch die Ernährung der involvierten Organismen sichergestellt
wird. Ohne dieses komplexe Zusammenspiel könnte unser Wald auf die Dauer gar
nicht überleben.
Mit dem Wort "Pilz" bezeichnen wir in der Mykologie normalerweise nur die
für uns sichtbaren Fruchtkörper, wie zum Beispiel bei einem Apfelbaum die Äpfel.
Sie dienen einzig und allein der Vermehrung. Dass beide für uns gleichzeitig
einen kulinarischen Wert besitzen, ist lediglich eine willkommene
Nebenerscheinung. Was für die Äpfel der Baum ist, ist für die Pilze das
Fadengeflecht (Mycel) im Boden. Der Pilz durchzieht den Boden mit feinen, dünnen
Fäden (Hyphen) in allen Richtungen. Diese Fäden nennt man das Mycel. Bleibt es
ohne Fruchtkörper (Pilze), kann es nur sehr schwer bestimmt werden. Das Mycel
ist aber nicht unbedingt an Bodenhumus gebunden. Sein Substrat (Nährboden) kann
auch ein Baumstrunk, Ast, Rinde, ein Föhren- oder Fichtenzapfen oder auch nur
eine einzige Tannennadel sein. Wenn im Herbst genügend Feuchtigkeit vorhanden
ist, finden wir an abgestorbenen Kräutern, Stengeln, Gräsern und Moosen wenige
Millimeter grosse Pilze.
All diese Fruchtkörper - gemeinhin Pilze genannt - haben
die Aufgabe, Sporen zu erzeugen, die nach dem Keimen wieder Hyphen bilden und
damit zur Vermehrung beitragen. Bei den Blätterpilzen entstehen die Sporen auf
den Lamellen, bei den Röhrenpilzen in den Röhren, bei den Becherlingen auf deren
Innenflächen und bei den Morcheln in den wabenartigen Vertiefungen (Alveolen).
Die Sporen sind nur wenige Tausendstelmillimeter gross und können einzeln nur
unter dem Mikroskop bei starker Vergrösserung betrachtet werden.
Je nachdem, wo diese Sporen am Pilz reifen, unterscheidet
man zwischen Schlauchpilzen (Ascomyceten) und Ständerpilzen (Basidiomyceten).
Sporenabwurf
Wird ein Pilzhut, dessen Stiel abgeschnitten worden ist,
mit den Lamellen nach unten auf ein Papier gelegt, so sehen wir nach einigen
Stunden das Sporenpulver. Wir stellen auch fest, dass dieses verschieden gefärbt
sein kann.
Pilze bestimmen
Die Fruchtkörper der Pilze sind von verschiedener Gestalt,
Grösse und Beschaffenheit. Die uns bekanntesten Formen sind Pilze, die in Hut
und Stiel gegliedert sind. Beim genaueren Betrachten kann man innerhalb dieser
Formen Unterschiede feststellen. So zum Beispiel auf der Unterseite des Hutes,
welche entweder Röhren, Lamellen (Blätter), Leisten oder Poren aufweist. Anhand
dieses Merkmals kann man die Pilze zum Beispiel in Röhrlinge, Blätterpilze,
Leistlinge oder Porlinge einteilen. Weitere Unterschiede finden wir am Stiel,
z.B. durch das Vorhandensein einer Manschette, einer Scheide (Volva), einer
knolligen, wurzelnden oder verjüngten Basis, einer bauchigen, zylindrischen oder
keuligen Form. Wichtige Bestimmungsmerkmale sind auch Hutoberfläche, Farbe,
Hutrand, Lamellen- und Röhrenhaltung und -form, Verhalten bei Verletzung
(Verfärbung, Absonderung von Milch), Beschaffenheit sowie Geschmack und Geruch
des Fleisches. Um einen Pilz bestimmen zu können, ist es unerlässlich, alle
Merkmale genauestens zu betrachten.
Das Pilzbestimmen beginnt schon bei der Wahl des Behälters
für die gefundenen Pilze. Am wenigsten geeignet ist ein Plastiksack, in dem die
Pilze leicht brechen, zerdrückt werden und zudem schnell verderben. Der beste
Behälter ist ein flacher Korb, in dem die Pilze nebeneinander gelagert werden
können. Erfahrene Pilzsammler führen verschieden grosse Behälter mit sich, die
den unbeschadeten Transport auch kleiner und zerbrechlicher Pilze gewährleisten.
Beim Ernten der Pilze ist darauf zu achten, dass der ganze
Fruchtkörper mitgenommen wird und wichtige Teile der Stielbasis, wie zum
Beispiel die Volva der Knollenblätterpilze, nicht im Boden stecken bleiben.
Unvollständige Fruchtkörper können Anlass zu verhängnisvollen Fehlbestimmungen
sein. Grasresten, Humus und Erde werden sorgfältig mit dem Messer abgeschabt und
von Maden zerfressene, überalterte oder angefaulte Exemplare werden aussortiert,
damit sie noch die wichtige Aufgabe als Sporenverbreiter erfüllen können.
Giftige und unbekannte Arten sollen getrennt von den Speisepilzen transportiert
werden, denn schon kleine Stücke eines Giftpilzes können zu Vergiftungen führen.
Die Begleitvegetation, mit der ein Pilz wächst, ist für die
Bestimmung oft ebenso wichtig wie Farbe, Geruch oder Sporengrösse. Man achte
also schon am Standort auf die Pflanzen und Bäume in der Umgebung und merke
sich, ob die betreffende Art einzeln, gesellig, büschelig, in Ringen, an
lebendem oder totem Holz, auf Erdboden oder auf anderen Substanzen gedeiht.
Ebenfalls sollte die geographische Lage berücksichtigt werden - in welcher Lage
wächst ein Pilz, im Flachland, im Bergwald oder sogar alpin, oberhalb der
Baumgrenze?
Um Pilze makroskopisch und ohne Beihilfe des Mikroskops zu
bestimmen, stehen uns die Sinnesorgane Augen, Nase und Zunge zur Verfügung.
Mit den Augen betrachten und registrieren wir Formen,
Grössen und Strukturen.
Mit der Nase stellen wir den Geruch auf der Hutoberfläche,
an den Lamellen oder den des Fleisches fest. Behutsames Schnuppern ergibt die
besten Resultate. Die Nase kann trainiert werden und Sie werden feststellen,
dass gewisse Pilze schon bald nach ihrem Geruch rasch bestimmt werden können.
Mit der Zunge kann nicht nur festgestellt werden, ob ein
Pilz scharf oder mild ist, auch sein besonderer Geschmack (z.B. nach Mehl oder
Fisch) kann angegeben werden. Vorsicht! Kostproben müssen unbedingt wieder
ausgespuckt werden, da auch Speisepilze roh giftig sein können. Der Geschmack
des Pilzes erlaubt keine Aussage über seine Giftigkeit. Grüne
Knollenblätterpilze zum Beispiel schmecken mild und etwas nussartig und können
trotzdem für den Menschen tödlich giftig sein.
Beim Bestimmen sollte man die Pilze möglichst behutsam
zwischen Zeigefinger und Daumen nehmen. Durch grobe Behandlung entstehen leicht
Druckspuren und der Pilz wird nicht nur unansehnlich, sondern er kann auch
wichtige Merkmale verlieren. Nach Möglichkeit sollten zum Bestimmen junge,
mittlere und ältere Fruchtkörper vorhanden sein.
Wer diese wenigen Regeln beachtet, schont die Natur, geht
verantwortungsvoll mit den "Früchten des Waldes" um und hat bestimmt mehr Freude
beim Sammeln und Bestimmen der Pilze.
Pilzvergiftungen
Seit Jahrtausenden ist der Mensch bestrebt, aus der
riesigen Anzahl von Pilzen diejenigen herauszufinden, die für seine Gesundheit
zuträglich sind und keine toxischen Substanzen enthalten. Es sind viele Pilze
bekannt, die mehr oder weniger gefährliche Giftstoffe produzieren, denken wir
nur an den Grünen Knollenblätterpilz, der die hoch giftigen Amatoxine enthält.
Heute vergisst man häufig, dass auch die Natur Giftstoffe produziert, nicht nur
der Mensch mit seiner Technik und seinem Fortschritt. Es ist daher gefährlich,
alles natürlich Gewachsene a priori als gut und zuträglich zu bezeichnen.
Mord mit Pilzextrakt
Trotz unserem Fortschritt und Wissen ereignen sich Jahr für
Jahr viele leichte und schwere Vergiftungen durch nicht kontrollierte,
wildgewachsene Pilze. Dabei handelt es sich nicht immer nur um Unglücksfälle,
sondern auch um verbrecherische Taten mit hoch toxischen Pilzen, wie
nachstehende Beispiele belegen. Man weiss, dass Pilzgerichte schon zur Römerzeit
des öfteren auf dem Speisezettel erschienen, aber auch Pilzvergiftungen waren
bereits bekannt. Aus der Literatur ist z.B. zu entnehmen, dass der römische
Kaiser Claudius im Jahre 54 n. Chr. von seiner Frau vergiftet und getötet wurde,
wahrscheinlich mit einem Gericht von Kaiserlingen (Amanita caesarea), das den
Saft oder Auszug von Grünen Knollenblätterpilzen enthielt. Ein besonders
tragischer, für die Schweiz wahrscheinlich einmaliger Mordfall mit Grünen
Knollenblätterpilzen, ereignete sich im September 1993 in Uerikon (ZH). Durch
Injektion eines Presssaftes aus Grünen Knollenblätterpilzen haben eine 25jährige
Frau und ihr gleichaltriger Freund den Ehemann der Frau auf skrupellose Weise
umgebracht. Das Urteil: lebenslänglich Zuchthaus.
Einige aus dem Mittelalter überlieferte Weisheiten über
Giftpilze, die sich als völlig falsch erwiesen haben, sind immer noch nicht
ausgerottet - weder erlauben das Verfärben eines Silberlöffels im Pilzgericht,
noch das Verfärben des Pilzfleisches beim Schneiden, oder Schnecken- und
Madenfrass eine Aussage über die Essbarkeit eines Pilzes.
Nur genauste Kenntnisse der giftigen Doppelgänger von
Speisepilzen schützen vor Pilzvergiftungen!
All jenen, die eine Mahlzeit durch selbstgesammelte Pilze
in Ruhe und ohne ungutes Gefühl geniessen möchten, sei deshalb dringend
empfohlen, eine der amtlichen Pilzkontrollstellen in Anspruch zu nehmen.
Sehr gefährliche Pilzvergiftungen mit möglichem tödlichen
Ausgang
Charakteristisch ist eine lange Latenzzeit (Dauer bis zum
Auftreten der ersten Vergiftungsymptome) von meist 4-24 Stunden, in einzelnen
Fällen sogar mehreren Wochen.
Knollenblätterpilze verursachen in dieser Gruppe die
häufigsten Vergiftungen. Grund sind Verwechslungen mit grünen Täublingen,
Bovisten und vor allem Champignons.
Symptome sind Bauchkrämpfe, Erbrechen, Durchfall, Schwindel
und Leberschädigung bis zum Leberversagen.
Das gleiche Gift wie in den Knollenblätterpilzen (Amatoxin)
ist auch im Nadelholz-Häubling enthalten. Er wird mit dem Stockschwämmchen
verwechselt. Um sie in der Pilzkontrolle zu erkennen, dürfen
Stockschwämmchenhüte nie getrennt vom Stiel gesammelt werden.
Ein Giftpilz, der früher oft gegessen wurde, ist die
Frühjahrslorchel. Da der Giftstoff, das Gyromitrin, beim Kochen oder Trocknen
zum Teil zerstört wird, wurde seine Giftwirkung lange nicht erkannt. Vor allem
aus Osteuropa, wo dieser Pilz häufig vorkommt und gegessen wurde, sind schwere
Vergiftungen und Todesfälle durch Kreislaufzusammenbruch und Atemstillstand
bekannt. In getrocknetem Zustand kann die Frühjahrslorchel mit der Speisemorchel
verwechselt werden.
Ein weiterer Giftpilz mit langer Latenzzeit ist der
Orangefuchsige Rauhkopf. Bei uns sind Vergiftungen mit diesem Pilz selten, da
ihm kein bekannter Speisepilz ähnlich sieht. Eine Vergiftung mit einer
Latenzzeit von bis zu zwei Wochen kann zu Nierenversagen und Tod führen.
Weniger gefährliche Pilzvergiftungen, im Normalfall ohne
tödlichen Ausgang
Typisch für diese Vergiftungen ist eine kurze Latenzzeit
von 1/4 bis 4 Stunden. Die häufigsten Vergiftungen in dieser Gruppe werden durch
giftige Substanzen ausgelöst, die den Verdauungstrakt reizen und zu starkem
Erbrechen und Durchfall führen. Mögliche Verwechslungen:
Tigerritterling - Erdritterling
Riesenrötling - Nebelgrauer Trichterling
Karbol-Champignon - essbare gilbende Champignonarten
Grünblättriger und Ziegelroter Schwefelkopf -
Graublättriger Schwefelkopf
Satansröhrling - Flockenstieliger Hexenröhrling
(Schusterpilz)
scharfe Täublinge und Milchlinge mit essbaren Arten dieser
Gattung.
Andere Gruppen von Pilzen können bereits eine Viertelstunde
nach Genuss zu sehr dramatischen Symptomen führen:
Symptom |
mögliche Verwechslungen von Speise- mit Giftpilzen |
|
|
Hitzegefühl, Schweissausbruch, Pupillenverengung, Brechdurchfall | Hallimasch oder Nelkenschwindling mit Risspilzen |
Rauschzustand, Gehstörung, Verwirrtheit, Muskelzuckung, erweiterte Pupillen | Kaiserling mit Fliegenpilz, Perlpilz und junge Steinpilze mit dem Pantherpilz |
Pulsanstieg, Schwindel, Kreislaufkollaps
(nur mit Alkohol) | Schopftintling mit Faltentintling Flockenstieliger Hexenröhrling mit Netzstieligem
Hexenröhrling |
Halluzinationen | Vorauseilender Ackerling und Nelkenschwindling mit verschiedenen Kahlköpfen |
Eine kurze Latenzzeit schliesst eine
Knollenblätterpilzvergiftung noch nicht aus, da in einem Mischgericht
verschiedene Giftpilze enthalten sein können!
Vergiftungen durch normalerweise essbare Pilze
Pilze gelten allgemein als schwer verdauliche Lebensmittel.
Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können deshalb auch durch zu grosse Mengen
oder roh gegessene Speisepilze verursacht werden.
Pilzeiweisse werden schnell zersetzt und machen den Pilz
unbekömmlich. Auch durch falsche Lagerung, ungeeignete Verpackung oder falsches
Konservieren kann es zu unechten Pilzvergiftungen kommen. Die Symptome
entsprechen denen einer Lebensmittelvergiftung.
Bei einzelnen Personen können Allergien gegen
Pilzinhaltsstoffe auftreten. Diesen bleibt nur ein völliger Verzicht auf
Pilzgerichte.
Massnahmen bei einem Verdacht auf Pilzvergiftung
-
Unverzüglich einen Arzt beiziehen!
-
Wenn möglich Brechreiz auslösen durch Finger in den
Rachen halten oder drei gehäufte Kaffeelöffel Kochsalz in einem Glas lauwarmem
Wasser auflösen und trinken.
-
Pilzreste unter allen Umständen sicherstellen (Abfall,
Erbrochenes, Rüstabfälle, Essensreste). Der amtliche Pilzkontrolleur kann
möglicherweise feststellen, welche Pilzart die Vergiftung verursacht hat.
-
Widersetzen sie sich nicht einer Einlieferung ins Spital.
-
Das Toxikologische Informationszentrum in Zürich (Tel.
044 251 66 66) gibt über praktisch alle Gifte und deren Gegenmittel Tag und Nacht
Auskunft. Zu statistischen Zwecken sollten alle Vergiftungsfälle dem
Informationszentrum gemeldet werden.
Nährstoffe
Wegen ihres geschätzten Geschmacks sind die im Herbst bei
vielen beliebten Wildpilze eine willkommene Bereicherung und Abwechslung des
Speisezettels. Pilze sollten in der Regel wegen ihres eher geringen Nährwerts
nicht als Hauptmahlzeit verspeist werden, sondern als Geschmacksträger für
Speisen und deren Beilagen dienen, vor allem bei Saucen. Der eigentliche
Nährwert (Eiweiss, Kohlenhydrat und Fettgehalt) ist infolge des relativ hohen
Wassergehaltes von ungefähr 90% eher als gering einzustufen. Vitamin- und
Mineralstoffgehalte sind mit dem anderer Gemüsearten in etwa vergleichbar.
Eiweissstoffe
Der Anteil an Eiweissstoffen (Proteine) von Frischpilzen
liegt zwischen 2 und 4%. Diese Proteine sind aber wegen ihrer geringen
biologischen Wertigkeit ernährungsphysiologisch eher als "minderwertig"
einzustufen.
Kohlenhydrate
Bei den Kohlenhydraten überwiegen die unverdaulichen
Ballaststoffe (Gerüststoffe). Diese bestehen bei den Speisepilzen überwiegend
aus Chitin, einem aminozuckerhaltigen Polysaccharid, anstelle der üblicherweise
in Pflanzen vorkommenden Cellulose. Der Anteil an Chitin in Pilzen macht diese
auch schwer verdaulich, so dass sie sich im allgemeinen für eine Schonkost wenig
eignen. Der Anteil an Ballaststoffen beträgt ungefähr 2% bezogen auf das
Frischgewicht. Der Gehalt an verwertbaren Kohlenhydraten (Glukose, Fruktose und
Saccharose) ist mit ungefähr 0.3% (Frischgewicht) deutlich niedriger.
Bemerkenswert ist zudem ein relativ hoher Gehalt (ca. 1%) an nicht verwertbarem
Mannit, einem Zuckeralkohol sowie auch ein erheblicher Gehalt von Trehalose in
verschiedenen Pilzen. Trehalose ist ein in Lebensmitteln sonst selten
vorkommendes, verwertbares Disaccharid, bestehend aus zwei Glukose-Einheiten. Da
es Menschen gibt, bei denen im Darm das Enzym Trehalase fehlt, kann der Körper
die Trehalose nicht oder nur sehr schlecht abbauen (Trehaloseintoleranz). Der
Pilzgenuss führt dann zu erheblichen Beschwerden im Verdauungstrakt, die sich in
starken Blähungen und Durchfall äussern können.
Fett
Detaillierte Angaben über den Fettgehalt und die
Zusammensetzung wurden beim Zuchtchampignon gefunden. Der Fettgehalt ist mit
0.2-0.5% bez. Frischgewicht erwartungsgemäss sehr gering. Bei der
Fettsäurezusammensetzung fällt neben dem Gehalt an Myristin-, Palmitin-,
Stearinsäure ein hoher Anteil an essentieller Linolsäure auf.
Vitamine
An Vitaminen kommen insbesondere das Vitamin C, das
Provitamin A (Eierschwamm) und die Vitamine B1 und B2 vor. Da die Vitamingehalte
verhältnismässig gering sind (einige mg/100 g Frischgewicht), dürften die Pilze
für die Deckung des täglichen Vitaminbedarfs nur eine untergeordnete Rolle
spielen.
Mineralstoffe
Mineralstoffe sind in Pilzen in einer Grössenordnung von
ungefähr 1%, bezogen auf Frischgewicht, vorhanden. Kalium ist dabei mit dem
weitaus grössten Anteil vertreten, neben Natrium, Magnesium, Calcium, Mangan,
Eisen, Kupfer, Zink, Nickel, Chrom und Phosphor (Phosphat).
Nährstoffe in 100 g Frischpilz (Durchschnittswerte)
Inhaltsstoffe |
Zuchtchampignon |
Eierschwamm |
Steinpilz |
|
|
|
|
| (Agaricus Bisporus) | (Cantharellus cibarius) | (Boletus edulis) |
Wasser (g) | 90.70% | 91.50% | 88.60% |
Eiweiss (g) | 2.74% | 1.52% | 2.77% |
Fett (g) | 0.24% | 0.49% | 0.40% |
Kohlenhydrate (g) | 3.10% | 2.20% | 4.10% |
Mineralstoffe (g) | 1.02% | 0.77% | 0.81% |
Vitamin B1 (mg) | 0.10% | 0.02% | 0.03% |
Vitamin B2 (mg) | 0.44% | 0.23% | 0.37% |
Vitamin C (mg) | 4.90% | 6.00% | 2.50% |
Niacin (mg) | 5.20% | 6.50% | 4.90% |
Legende: g = Gramm, mg = Milligramm
Die obigen Angaben über Nährstoffe in Speisepilzen zeigen,
dass sie für unsere Ernährung nicht von grosser Bedeutung sind, abgesehen vom
relativ hohem Ballaststoffgehalt.
Schadstoffe
Die Frage nach der Kontamination von Pilzen mit
Schadstoffen hat für den Konsumenten in den letzten Jahren, dank steigendem
Umweltbewusstsein und wesentlich empfindlicheren Analysenmethoden, an Aktualität
zugenommen.
Radioaktivität
Schon zur Zeit der überirdischen Kernwaffentests wurden in
diversen Pilzen erhöhte Werte der Radionuklide Cs-134 und Cs-137 festgestellt.
Im Jahre 1986, nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl, gewann die
Cäsiumaktivität in Pilzen wieder stark an Bedeutung. Gewisse Pilze
(artspezifisch) reicherten die Cäsiumisotope in erhöhtem Masse an und
überschritten den Toleranzwert von 600 Bq/kg Frisch- und Trockengewicht um ein
Vielfaches. Davon betroffen waren vor allem beliebte Speisepilze wie zum
Beispiel der Maronenröhrling (Xerocomus badius), Rotfussröhrling (Xerocomus
chrysenteron) und der Zigeunerpilz (Rozites caperata). Inzwischen hat sich die
Lage weitestgehend beruhigt und es wurden in unserer Region kaum noch Werte
gefunden die 600 Bq/kg überschreiten.
Da Wildpilze zum Teil gute Bioindikatoren bezüglich
Radiocäsium darstellen, sollte auch in den nächsten Jahren das radioaktive
Cäsium in Pilzen aufmerksam verfolgt werden, um eventuelle Veränderungen der
Radioaktivität frühzeitig feststellen zu können.
Schwermetalle
Pilze haben die Eigenschaft, Schwermetalle in ihren
Fruchtkörpern, je nach Pilzart mehr oder weniger, anzureichern. Wie und wovon
werden die Pilze kontaminiert?
Schwermetalle wie Cadmium (Cd), Blei (Pb), Quecksilber (Hg)
und Selen (Se) werden im allgemeinen aus Verbrennungs-, Feuerungs-,
Kehrichtverbrennungsanlagen, Benzin (Autoabgase) oder industriellen Aktivitäten
freigesetzt. Die Schwermetalle befinden sich dann in der Atmosphäre und setzten
sich auf der Oberfläche von Pflanzen und Pilzen ab. Aber auch via Boden ñ über
Wurzel und Pilzmycel ñ können Schwermetalle in Pflanzen und Pilzen akumuliert
werden.
Bei letztjährigen Messungen von Schwermetallen in Pilzen
fiel insbesondere eine Probe wildgewachsener Kompost-Champignons (Agaricus
vaporarius) auf. Sie wurde am Trottoirrand einer verkehrsreichen Strasse der
Stadt Zürich entnommen. Die gefundenen Werte in mg/kg Frischgewicht, Pb (11.7!),
Cd (0.38), Hg (0.66) und Se (2.7) zeigen eindrücklich die Gefährdung von Pilzen,
die in unmittelbarer Nähe von stark befahrenen Autostrassen wachsen. Aber auch
bei anderen wildgewachsenen Speisepilzen wie dem Steinpilz, verschiedenen
anderen essbaren Röhrlingsarten und insbesondere bei "gilbenden" (flavescenten)
Champignonarten, wurden erhöhte Schwermetallbelastungen festgestellt ñ bei
letzteren insbesondere Hg und Cd. Diese lassen befürchten, dass schon beim
Verzehr einer Pilzmahlzeit der ADI-Wert (mittlere tolerierbare tägliche Dosis)
an Blei, Cadmium und Quecksilber erreicht oder überschritten wird, den die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) als vertretbar hält.
Toleranzwerte (bei dessen Überschreitungen gilt das
Lebensmittel als verunreinigt oder im Wert vermindert) für einige Schwermetalle
in Pilzen gemäss Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln (FIV)
in mg/kg Frischgewicht:
Blei: Pilze in Konserven 0.5, Zuchtpilze 0.25; Cadmium:
Zuchtchampignons 0.05; Quecksilber: Zuchtpilze 0.25.
Es wird den Pilzkonsumenten deshalb empfohlen, nicht mehr
als ungefähr 250 g Frischpilze pro Person und Woche zu konsumieren.
Pestizide
Die Diskussion um Pestizidrückstände in Lebensmitteln hat
auch vor den Pilzen nicht halt gemacht. Die Befürchtung, dass Pilze, die in
Zuchtanlagen einer ertragssteigernden Manipulation mit Pestiziden (Fungizide,
Insektizide) behandelt wurden, erheblich rückstandsbelasteter als Wildpilze
seien, bestätigte sich nicht. Bei letztjährigen, im Kantonalen Labor Zürich
durchgeführten Pestizidmessungen von verschiedenen Zuchtpilzen wie:
Kulturchampignon weiss und braun (Agaricus bisporus), Shiitakepilz (Lentinus
edodes) und Austernseitling (Pleurotus astreatus), wurde nicht eine einzige
Probe gefunden, die den tolerierbaren Höchstwert überschritten hätte. Im
Gegensatz dazu mussten aus fünf verschiedenen Proben getrockneter Morcheln, aus
Pakistan und Indien (Himalaya-Gebiet), drei wegen unerlaubtem Einsatz des
Insektizides Lindan (in der Schweiz auf Pilzen nicht zugelassen) beanstandet
werden. Wie und warum das Insektizid auf die Pilze gelangte, wird zur Zeit noch
abgeklärt.
Begasungsmittel
Um einen Befall durch Insekten bei der Lagerung einer
grösseren Menge getrockneter Pilze zu verhindern, können Begasungsmittel
eingesetzt werden. Es sind dies insbesondere Methylbromid und Phostoxin.
Bei mehreren Messungen an Zucht- und Wildpilzen wurde in
den letzten Jahren keine einzige Probe mit besorgniserregenden Rückstände
festgestellt.
Schlußfolgerung
Die gefundenen Werte besagter Schadstoffe zeigen, dass
heute bei "normalem Konsumverhalten" durch die erwähnten Frischpilze keine
Gesundheitsgefährdung besteht; insbesondere auch deshalb, weil sich die
Erntezeit dieser Pilze sowieso nur auf einige wenige Wochen im Jahr beschränkt.
Es besteht also keine Veranlassung, die Pilze ihres Schadstoffgehaltes wegen
pauschal anzuprangern. Um so mehr sollte darauf geachtet werden, dass Pilze
nicht als Hauptmahlzeit zu sich genommen werden, sondern als willkommene
Geschmacksträger in Beilagen und Saucen dienen. Da Pilze im allgemeinen schwer
verdaulich sind, ist es empfehlenswert, den Konsum auf 200 bis 300 g Frischpilze
pro Woche und Person zu beschränken, auch um eine mögliche erhöhte
Schadstoff-Belastung zu vermeiden.
Okt. 1998, M. Neuhäusler, H.P. Neukom, R. Winkler
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