2000Pilze - neue Systeme zur Pilzbestimmung

Ruedi Winkler, Schweizerische Zeitung für Pilzkunde (SZP), Nr. 6, 2006, Zürich

Computer haben sich In den letzten Jahren explosionsartig verbreitet und zugleich hat sich ihre Leistungsfähigkeit vervielfacht. In der Arbeit mit Pilzen fand das neue Hilfsmittel schnell Verwendung zur Verwaltung von Listen, Texten und Bildern. Der Computer ist aus diesem Bereich nicht mehr weg zu denken. Etwas zögerlicher entwickeln sich Systeme zur Bestimmung von Pilzen. Die bewährten, bisherigen Schlüsselsysteme lassen sich zwar auf den Computer abbilden. Die enorme Rechenleistung der neuen Maschinen bleibt damit aber weitgehend ungenutzt. Erst neu konzipierte Bestimmungsverfahren erschliessen dieses Potenzial.

2000Pilze ist ein ganzes Paket von Anwendungen mit neuen und traditionellen Systemen ebenso wie zur Verwaltung von Namen, Beschreibungen und Bildern. Die Datenbank wird mit sämtlichen Texten, Fotos und Grafiken des 1996 erschienen 500-seitigen Buches „2000 Pilze einfach bestimmen“ zu einem umfassenden Nachschlagewerk der Röhrlinge und Blätterpilze. Alle klassischen Schlüssel des Buches zur Bestimmung von Arten sind enthalten und ausgebaut. Mit dem Ein- und Ausblenden der verschiedenen Ebenen im Bestimmungsvorgang sowie dem selektiven Öffnen einzelner Bestimmungsäste sind die Möglichkeiten dieses Schlüsseltyps durch den Computer erweitert verfügbar.

 

Komplett neue Wege bieten die sogenannt synoptischen und kontextsensitiven Schlüssel, welche im folgenden Abschnitt in einem Beispiel erläutert werden. Wer sich durch solches Fachchinesisch und tausende von Pilznamen eher abgeschreckt fühlt, kann von einem anderen Vorteil des Computerprogramms gegenüber einem Druckerzeugnis profitieren: 2000Pilze lässt sich den Ansprüchen der BenutzerInnen anpassen. Zur besseren Übersicht können sich Einsteigende in den Schlüsseln erst nur die häufigsten 300 Arten anzeigen lassen. Mit zunehmenden Kenntnissen folgt der Schritt auf ca. 700 und schliesslich auf alle gut 2000 verschlüsselten Arten. Für Fortgeschrittene ist das System nach oben beliebig offen. Die Artnamen lassen sich direkt abrufen – auch ohne „Umweg“ über ein Bestimmungssystem. Sowohl Namen, Bestimmungsschlüssel, Artenbeschreibungen und Bildersammlungen können bearbeitet, ergänzt oder erweitert werden. Je nach Bedarf beschränkt man sich auf die häufigsten Arten oder baut 2000Pilze individuell zum eigenen 4000- oder 5000Pilze aus.

Bestimmungsschlüssel - Wie schon im Programm Pilz2000 des 1996 publizierten Buches, erlauben synoptische Schlüsselsysteme die Auswahl von passenden Merkmalen in freier Reihenfolge, um die möglichen Gattungen oder Arten schrittweise einzugrenzen. Zwei solche Verfahren wurden in dieser Zeitschrift kürzlich von den beiden Herren Kellerhals vorgestellt, einerseits ein Ausschlussverfahren welches mit jedem Schritt die unpassenden Arten eliminiert (SZP 4/ 2005, S. 182), andererseits eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die mit jedem gewählten Merkmal die am besten passenden Arten rangiert (SZP 1/2005, S.29). 2000Pilze bietet wahlweise beide Verfahren an und präsentiert eine Lösung für die Schwachstelle der synoptischen Systeme: Mit zunehmendem Fortgang der Bestimmung wächst nämlich die Schwierigkeit, jene Merkmale zu erkennen, welche für den weiteren Bestimmungsvorgang von Nutzen sind. 2000Pilze bestimmt deshalb laufend eine geordnete Liste der jeweils nützlichsten Merkmale.

Dazu ein konkretes Beispiel:

Die Abbildung zeigt die Eingaben für einen Pilz mit grauem, deutlich schuppigem Hut, dickem Fleisch und ausgebuchtet angewachsenen, weissen Lamellen. 2000Pilze errechnet aus den 5 Merkmalen im Ausschlussverfahren eine Liste von 14 denkbaren Ritterlingen und zeigt diese alphabetisch sortiert mit deutschen oder lateinischen Namen an.
Unterhalb der Anzeige der bereits gewählten Merkmale erscheint die Liste der günstigen Kriterien zur Fortsetzung der Bestimmung. Mehlartiger Geruch mit dem Trennwert 0.5 würde in diesem Fall weitere 7 von den 14 Arten herausfiltern. Das stetige Halbieren der verbleibenden Artenmenge sichert ein zügiges Vorwärtskommen beim Bestimmen, deshalb steht diese Frage zuoberst. Diese Unterstützung zur Wahl der weiterführenden Merkmale verbindet die Vorteile eines synoptischen mit jenen eines klassischen Schlüssels. Weil sich der Schlüssel aus jedem Umfeld neu berechnet wird ihm die Eigenschaft „kontextsensitiv“ zugeschrieben.

Text und Bilder - Nach einem Bestimmungsvorgang oder der direkten Abfrage eines Namens präsentiert 2000Pilze die passende Beschreibung und vorhandene Bilder. Das Programm durchpflügt dabei jedes Mal einen Bildordner mit dem entsprechenden lateinischen Gattungsnamen nach Bildern mit diesem Artnamen oder einem Synonym davon. Die Bildanzeige lässt sich deshalb einfach durch eigene Abbildungen oder ganze Sammlungen ergänzen.

Pilznamen - Im Kern von 2000Pilze steckt eine nummerierte Liste mit den Beschreibungen der Fruchtkörper ohne feste Namen. Diese Struktur erlaubt eine problemlose Anpassung der aktuell gültigen Namen. Zudem findet das Programm gesuchte Arten und Abbildungen auch noch, wenn diese mit einem der Synonyme bezeichnet sind. Das ist sehr nützlich, da die Namen von Bilddateien sonst laufend angepasst werden müssten.

Fundlisten - Erkannte oder bestimmte Pilze lassen sich in Listen zusammenfassen und mit Bildern und Bemerkungen dokumentieren. Besonders attraktiv ist die Möglichkeit, solche Pilzlisten anschliessend mit Namen, beschreibendem Text und Bildern auszudrucken.

Einstellungen - Neben der bereits erwähnten Auswahl bezüglich Artenumfang und Bestimmungsverfahren gibt es eine Reihe anderer Optionen: Eine so genannte „a priori Wahrscheinlichkeit“ bezieht die Häufigkeit der Pilze zur Bestimmung mit ein. Ein Prozentwert steuert den Umfang der zur Auswahl präsentierten Merkmale, die oft erst in einer engeren Auswahl von Pilzen eine Bedeutung haben. Zum Beispiel die Farbe der Milch, welche nur bei Milch absondernden Pilzarten eine Rolle spielen kann. Zur besseren Übersicht kommen solche Kriterien erst dazu, wenn der Bestimmungsvorgang bereits auf das Umfeld dieser Arten weist. Weitere Einstellungen regeln die Fehlertoleranzen im Ausschlussverfahren, den Umgang mit Synonymen und vieles mehr.

Grössenangaben - Zur Verschlüsselung von Grössenangaben sind zwei verschiedene Methoden realisiert. So kann man beim Hutdurchmesser beispielsweise aus verschiedenen Grössenkategorien wählen (kleiner 2cm, 2-5cm, 5-10cm, usw.). Für jede Art ist verschlüsselt, welche Grössenkategorien möglich sind. Bei den Sporengrössen hingegen kommt ein anderes System zur Anwendung. Nach Eingabe der konkret gemessenen Länge und Breite prüft der Rechner, für welche Arten diese Werte im möglichen Bereich liegen. Für Werte ausserhalb dieses Bereiches resultiert zusätzlich ein Mass für den Grad der Abweichung. Diese zweite Methode scheint sehr viel versprechend und könnte bei allen Grössenangaben zur Anwendung kommen. Sie nützt die Leistungsfähigkeit des Computers und liefert feinere Abstufungen als das erstgenannte Verfahren.

Voraussetzungen - 2000Pilze ist auf einer CD, umfasst knapp 400 MB und ist unabhängig von anderen Programmen auf jedem Rechner mit Windows 2000 (SP4) oder höher läuffähig – dazu gehört auch die neueste Generation von Macintosh.

Versionen - Wem das umfassende Nachschlagewerk mit Gattungschlüssel, klassischem Artenschlüssel sowie Namen-, Fund- und Bildverwaltung genügt, ist mit der Lightversion bedient. In der Standardversion kommt die geschilderte Artenbestimmung nach Ausschlussverfahren dazu und in der Vollversion schliesslich die Wahrscheinlichkeitsrechnung und sämtliche Möglichkeiten für Erweiterungen in den Texten und Schlüsseln. Alle konkreten Angaben zu diesen käuflichen Versionen und den kostenlosen Demoversionen finden sich unter Demoversionen. Weiterentwicklung – 2000Pilze enthält bereits vielfältige neue Systeme und eine beachtliche Fülle an Informationen in Form von Bildern und Texten. Gleichzeitig ist das Ganze auf eine Weiterentwicklung in alle Richtungen angelegt.
Vom Verein für Pilzkunde Bern (VPB) besteht eine grössere Bildersammlung. Die über 1000 Bilder werden vom Programm ebenfalls erkannt. In der gleichen Art sind weitere, unabhängige Zusatzangebote möglich, auch Mikrobilder oder Skizzen.
Die eingebaute Synchronisierung von Daten und Strukturen macht einen Ausbau durch eigene Eingaben sinnvoll, da sie auch in späteren Versionen abgeglichen und erhalten werden können.
2000Pilze könnte in mehreren Sprachen verfügbar sein, entsprechende Optionen sind im Programm vorbereitet und vorhanden. Wer sich mit einer guten Übersetzung in die Materie vertiefen möchte, könnte sich auch am Vertrieb in den entsprechenden Sprachräumen beteiligen.

Autoren – Programm und Texte stammen von R. Winkler. Die Illustrationen aus dem „Buch 2000 Pilze einfach bestimmen“ stammen von M. Montalta und I. Cucchi. Die gut 600 farbigen Abbildungen von G. Martinelli, R. Winkler, X. Schmid, O. Hotz, F. Patané und H.P. Neukom.

 

© 10. 2013 · R.Winkler · Emailemail senden